Mit Fortschreiten des Krieges fehlten durch den Einsatz der ansässigen Bevölkerung im Kriegsgeschehen im gesamten deutschen Reichsgebiet mehr und mehr Arbeitskräfte. Dieser alle Bereiche betreffende Arbeitskräftemangel wurde unter anderem durch den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen kompensiert. Allein durch den Einsatz dieser Menschen konnte sowohl der Bestand der Kriegsmaschinerie, als auch der sonstigen Industrie und nicht zuletzt der die Bevölkerung versorgenden Landwirtschaft aufrecht erhalten. Somit wurde letztlich auch die Fortsetzung des Krieges und des NS- Staates überhaupt erst ermöglicht.
Mit Zwangsarbeiter*innen beschreiben wir hier sowohl Kriegsgefangene als auch Zivilarbeiter*innen verschiedenster Nationen, die teils ab 1939 von den Arbeitsämtern in den von Deutschland besetzten Gebieten mit falschen Versprechungen „quasi-freiwillig“ angeworben wurden, oder später von dort zwangsweise zur Arbeit verschleppt wurden.1Auch für Güstritz lässt sich der Einsatz von Zwangsarbeiter*innen belegen. Wie sich Gemeindebüchern2 und Listen der Krankenkassen entnehmen lässt, waren diese sowohl in der Landwirtschaft als auch in der hiesigen Ziegelei, sowie bei einer Firma Bergmann3 im Einsatz. Über die Firma Bergmann ist uns nichts Weiteres bekannt. Aus Unterlagen des international tracing service4und von der AOK Dannenberg5 geht jedoch hervor, dass sie belgische, niederländische, italienische und französische männliche Arbeiter in Güstritz beschäftigte.
63 (28 Bergmann und Co, 23 aus der Ziegelei, 12 aus der Landwirtschaft) Arbeiter*innen, die in Güstritz im Einsatz waren, sind uns namentlich bekannt.
Da sich einzelne Dorfbewohner*innen an weitere Zwangsarbeiter*innen erinnern können, die in den uns vorliegenden Listen nicht auftauchen, vermuten wir, dass die Zahlen der als Zwangsarbeiter*innen in Güstritz beschäftigten Menschen noch höher war.
Die uns namentlich bekannten Zwangsarbeiter*innen in Güstritz kamen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien, Polen und der Sowjetunion.
1 Claus Bollbrinker, Claus Füllberg – Stollberg, Zwangsarbeit im Kreis Dannenberg, 1939-45 in: Das Hakenkreuz im Saatfeld, Hrsg. Elke Meyer-Hoos, 2013, S.326
2 Elke Meyer-Hoos und die Dorfgemeinschaft Güstritz (Hrsg.), Güstritz-Projekt – DAS KALTHAUS, erscheint 2020. Entwicklungen gesellschaftlichen Lebens und Formen der Gemeinschaft in einem wendländischen Dorf, 1920-2020,Journal, Einnahmen und Ausgabenbuch Güstritz, 1933-1964, Archiv Museum Wustrow
3 Listen von Angehörigen der Vereinten Nationen, anderer Ausländer, deutscher Juden und Staatenloser, britische Zone, 2.1.2.1 / 70595798, ITS Digital Archive, Arolsen Archives
4 The Arlosen Archives, ehemals international tracing service (its) sind ein Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung, zu nationalsozialistischer Verfolgung, Zwangsarbeit und dem Holocaust
5 ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Archivnummer:10376