Die Situation der Zwangsarbeiter*innen nach 1945
Im Frühjahr 1945 waren mehrere Millionen Zwangsarbeiter*innen im sogenannten deutschen Reichsgebiet Einsatz.
Die meisten Arbeiter*innen versuchten zu Kriegsende möglichst schnell zurück in ihre Herkunftsländer zu gelangen. Für Staatsangehörige westlicher Staaten war dies zumeist relativ einfach möglich.1 Nicht selten aber wurden sie in ihren Herkunftsländern mit moralischen Verurteilungen bedacht und als Verräter*innen behandelt.2
Besonders schwierig war die Situation für die Osteuropäer*innen. Viele Pol*innen fürchteten die neuen Machtverhältnisse in ihrem Heimatland und zögerten, zurückzukehren. 3
Unter den sowjetischen und ukrainische Arbeiter*innen bestand die berechtigte Furcht, in ihren Herkunftsländern als Kollaborateur*innen der Deutschen betrachtet zu werden und somit weiteren Strafen und Repressalien ausgesetzt zu sein.4
KZ-Überlebende, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen, erhielten von den Alliierten den Rechtsstatus der displaced persons (DP), was ihnen besondere Fürsorge und Unterstützung bei der Rückkehr in ihr Herkunftsland gewährleistete. 5
Aufgrund einer Verfügung der Sowjetunion wurden jedoch zahlreiche sowjetische Arbeiter*innen letztlich auch gegen ihren Willen repatriiert, also in ihr Herkunftsland zurückgeführt. Dort waren sie mitunter erneut Lagerhaft und anderen Strafmaßnahmen ausgesetzt.6
Die Zeit bis zu ihrer freiwilligen oder erzwungenen Heimkehr verbrachten Viele in sogenannten displaced persons camps.7 Angesichts der Vielzahl der zu versorgenden Menschen gestaltete sich die Situation schwierig. Was teilweise, wie hier in Niedersachsen in Bergen Belsen, dazu führte, ehemalige KZ-Gelände weiter als Unterbringungsorte genutzt wurden.8 Die meisten sogenannten „DPs“ konnten bis Ende 1946 heimkehren.9 Ab 1947 wurde versucht, die als „nicht repatriierbar“ geltenden „DPs“ in anderen Ländern anzusiedeln.10 Viele, insbesondere jüdische „DPs“ mussten jedoch noch Jahre in den Lagern verharren. Das letzte displaced persons camp in Föhrenwald, konnte erst 1958 geschlossen werden.11
Wie viele Zwangsarbeiter*innen zu Ende des Krieges in Güstritz im Einsatz waren ist uns nicht bekannt. Sicher ist aber, dass ohne ihre Arbeit in den Kriegsjahren die Situation, die die aus dem Krieg Heimkehrenden auf ihren Höfen vorfanden, vielerorts wohl eine andere, schlechtere, gewesen wäre.
Entschädigungszahlungen
In den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende herrschte eine allgemeine Haltung der Verdrängung gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus.12 Obgleich Zwangsarbeit als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den »Nürnberger Prozessen« 1946 verurteilt worden war, wurde dies gesellschaftlich nie wirklich akzeptiert. In den Entnazifizierungsverfahren spielte die Behandlung von Zwangsarbeiter*innen kaum eine Rolle.13 Erst seit den 1970er/1980er Jahren wurde das Thema NS-Zwangsarbeit auf Betreiben von Bürgerinitiativen wieder in Erinnerung gerufen.14 Erst ab dem Jahr 2001 erfolgten aufgrund des zunehmenden Drucks erste individuelle Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter*innen aus Mitteln der eigens hierzu gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft.15 Das Gründungsvermögen der Stiftung betrug 10 Milliarden DM und wurde je zur Hälfte von der Bundesrepublik Deutschland aufgebracht sowie von Unternehmen der deutschen Wirtschaft eingesammelt. Ca.1,6 Millionen Menschen (von ca. 8,4 Millionen zivilen Zwangsarbeitenden im Deutschen Reich) wurden mit insgesamt 4,37 Milliarden Euro aus den Mitteln des Stiftungsfonds entschädigt.16 Dabei wurden insbesondere ehemalige KZ-Häftlinge und deportierte mittel- und osteuropäische Zwangsarbeiter*innen berücksichtigt.
Die Entschädigungszahlungen staffelten sich in verschiedene Kategorien. Zwangsweise in der Landwirtschaft eingesetzte Arbeiter*innen erhielten hiernach einmalig zwischen 536€ und 2.235€. Die Entschädigungszahlungen bilden bei weitem nicht die Summe der vorenthaltenen Lohnzahlungen ab.
Dennoch waren die Entschädigungszahlungen sowohl symbolisch, als auch finanziell, für viele ehemaligen Zwangsarbeiter*innen von großer Bedeutung.17 Dem deutschen Staat als auch deutschen Unternehmen, von denen ein beträchtlicher Teil großen wirtschaftlichen Nutzen aus der NS-Zwangsarbeit gezogen hat, gewähren diese Zahlungen weitestgehenden Schutz vor weiteren Entschädigungsverfahren.18
Zahlreiche Klagen ehemaliger italienischer Militär internierter (IMI) und sowjetischer Kriegsgefangener, die trotz besonders schlechter Behandlung bei der Auszahlung der Entschädigungszahlungen nicht berücksichtigt worden waren, blieben vor deutschen und europäischen Gerichten erfolglos.19
70 Jahre nach des Ende des 2 Weltkrieges, im Mai 2015 beschloss der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages jedoch, 10 Millionen € für die Entschädigung der noch lebenden ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen bereitzustellen.
Für einen Großteil der ehemaligen Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen kamen die Entschädigungszahlungen jedoch zu spät, da sie zu dem Zeitpunkt der Auszahlungen bereits gestorben waren.
1https://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre/befreiung-und-besatzung/displaced-persons.html
2https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/displacedp/index.html
3ebenda
5https://bergen-belsen.stiftung-ng.de/de/geschichte/displaced-persons-camp-1945-1950/
6https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/displacedp/index.html
7ebenda
8https://bergen-belsen.stiftung-ng.de/de/geschichte/displaced-persons-camp-1945-1950/
9https://de.wikipedia.org/wiki/Displaced_Person
10https://de.wikipedia.org/wiki/Displaced_Person
11 ebenda
12 http://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/virtuelle-ausstellung/danach/danach-deutschland.html
13 ebenda
14h ttps://www.ausstellung-zwangsarbeit.org/streit-um-erinnerung.html
15https://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/entschaedigung/entschaedigung-2/index.html
16http://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/virtuelle-ausstellung/danach/danach-deutschland.html
17 https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ns-zwangsarbeit/227273/der-lange-weg-zur-entschaedigung
18 http://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/virtuelle-ausstellung/danach/danach-deutschland.html
19 https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ns-zwangsarbeit/227273/der-lange-weg-zur-entschaedigung